Das Heulen

Erbe der Wölfe

Wölfe heulen, um einander ein weithin hörbares Signal der Rudelzusammengehörigkeit zu geben und um sich zu versammeln. Meist geht es dabei um die Vorbereitung auf eine Gemeinschaftsaktion. Eine erfolgreiche Jagd ist zum Beispiel nur gemeinsam möglich. Dazu muss das Rudel vorher zusammengerufen werden. Deshalb hört man das Heulen vorwiegend am Abend oder früh am Morgen, bevor alle gemeinsam aufbrechen, um Beute zu machen. An der Grenze eines Territoriums wird vermehrt geheult; es dient also auch dazu, ein Revier zu markieren, das gegebenenfalls verteidigt werden wird.

Nur erwachsene Wölfe sind auf der Jagd zu gebrauchen, Welpen kann man „bei der Arbeit“ nicht gebrauchen. Verhaltensforscher gehen davon aus, dass Haushunde, die ihr Fressen fertig vorgesetzt bekommen, dieses vollständig erwachsene Entwicklungsstadium nie erreichen. Sie bleiben quasi ein Leben lang Welpen. Das Heulen hat folglich für den Haushund nicht mehr die Bedeutung, wie ursprünglich für den Wolf. Dadurch ist das Heulen dem Haushund nahezu verloren gegangen. Instinktgeleitet reaktiviert er dieses Signal allenfalls dann, wenn er über längere Zeit allein gelassen wird. Man spricht vom so genannten „Trennungsheulen“, das über große Distanz ermöglichen soll, zueinander zu finden.

In der Natur antworten heulende Wölfe einander und machen sich auf den Weg, um einander zu treffen. Ein einzeln lebender Wolf ohne Rudelzugehörigkeit findet durch Heulen eventuell weitere Artgenossen, um sich ihnen anzuschließen oder in einem freien Areal ein neues Rudel zu gründen. Ein heulender Haushund wird hingegen kaum verstehen, dass er auf sein Heulen weder Antwort, noch Besuch bekommt. Es kommt allerdings vor, dass Hunde singende Menschen mißverstehen und in deren Gesang mit weit zurückgelegtem Kopf lauthals heulend einstimmen. Der Hund vermutet in so einem Moment, es handle sich um das Zusammengehörigkeits-Signal seines Rudels und ist sofort bereit, mit vollem Einsatz mitzumachen.

Auch eingesperrte Rüden, die die Witterung einer läufigen Hündin wahrnehmen, beginnen häufig zu heulen. Auch dieses Heulen zeigt den Wunsch, zueinander zu gelangen.

Junge Wölfe werden vom Heulen der Erwachsenen angelockt, können aber das Geheul der Artgenossen noch nicht voneinander unterscheiden. Ältere Wölfe lernen, einander am Geheul eindeutig zu identifizieren. Schon leichte Unterschiede im Tonfall reichen aus. Auch Stimmungslagen können bis zu einem gewissen Grade mit einfließen.

Wo Hunde in großen Rudeln zusammenleben, hat man beobachtet, dass das Heulen wieder verstärkt auftritt. Ebenso bei wild lebenden Streunern, die auf sich allein gestellt sind. Unter solchen Voraussetzungen werden die noch vorhandenen Urinstinkte wiederbelebt. Die Fähigkeit und Neigung hat sich, je nach Rasse und Stammbaum, in verschiedener Intensität vererbt. Vor allem Huskies, Alaskan Malamute und manche Königspudel sind oft noch in der Lage nach Wolfsart zu heulen.